Europäische Förderung für präzises Laserskalpell in der Chirurgie

R.J. Dwayne Miller erhält „ERC Advanced Grant“ für Forschungsprojekt mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

8. März 2012

Gemeinsam mit einem Team des UKE, das unter Leitung des Physikers Dr. Wolfgang Wöllmer und des Dekanats steht, wird Prof. Miller sein neu entwickeltes Laserskalpell testen.

Mit dem Pikosekunden-Infrarot-Laser (PIRL) soll dank neuer Erkenntnisse der Miller-Gruppe in der Lasertechnik zukünftig eine minimal-invasive Chirurgie möglich sein, das bedeutet präzisere und gewebeschonendere Operationen mit weniger Narbenbildung. Zudem kann das entnommene Gewebe, z. B. Tumorzellen, in intaktem Zustand analysiert werden.

Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg: „Der ERC Advanced Grant ist eine besondere Auszeichnung, die die internationale Bedeutung der wissenschaftlichen Arbeit von Dwayne Miller bestätigt und so auch die Leistungsfähigkeit unserer Forschung im Bereich Physik und Medizin an der Universität Hamburg würdigt. Ich freue mich, dass sich Professor Miller in diesem anspruchsvollen Verfahren im europäischen Wettbewerb mit seinem Vorhaben durchsetzen konnte. Die Universität Hamburg ist inzwischen mit acht Grants des ERC ausgezeichnet worden – was die Leistungsfähigkeit der Arbeit unserer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im internationalen Vergleich zeigt.“

Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät und UKE-Vorstandsmitglied: „Die Entwicklung eines solchen Lasers kann die Chirurgie und die dabei notwendige Gewebediagnostik in den nächsten Jahren maßgeblich voranbringen. Das UKE, das mit mehr als zehn Kliniken und Instituten an dem Projekt beteiligt ist, sieht sich mit der europäischen Förderung in seinem Kurs bestätigt. Innerhalb eines Jahres ist dies bereits der vierte ERC Advanced Grant, an dem Mitarbeiter unserer Klinik maßgeblich beteiligt sind.“

Laser können Gewebe präziser zerschneiden als Messer, theoretisch sogar zellengenau. In der Praxis der Laserchirurgie war dies bisher nicht möglich, denn während des Schneideprozesses überführt die Energie des Laserlichts die Struktur einer Materie vom festen in einen gasförmigen Zustand. Dabei entwickeln sich Druckwellen und Hitze, die die angrenzenden Zellen schädigen und verbrennen. Geschädigte Zellen bilden Narbengewebe, das die Funktion der angrenzenden Zellen, eventuell auch der Nervenzellen, einschränkt.

Das neu konzipierte, ultrakurzgepulste Laserskalpell PIRL löst diese Probleme. Die Grundlage für die Entwicklung des Laserskalpells bildete die Entdeckung, dass Materie in einem bestimmten Zeitintervall direkt von einem festen oder flüssigen in einen gasförmigen Zustand übergeht, ohne dass andere Prozesse ablaufen. Durch Filmaufnahmen der strukturellen Veränderungen in anorganischem Material, die die Forschungsgruppe um Prof. Miller mit atomarer Auflösung gemacht hatte, konnte dieses definierte Zeitintervall bestimmt werden. Der PIRL wurde so programmiert, dass er mit lediglich einem Fünftel der Energie, die gängige Laser brauchen, und einer pulsierenden Strahlung von 100 Pikosekunden (einem Zehntausendstel von einem Millionstel einer Sekunde) das im Gewebe enthaltene Wasser anregt und wie ein Treibmittel die Wassermoleküle in den Gaszustand versetzt. Damit ist der Schneidevorgang so schnell und präzise auf einzelne Zellen ausgerichtet, dass keine Druckwellen und keine Hitze schädigend auf benachbarte Zellen wirken können. Ein weiterer Vorteil ist, dass das entnommene Gewebe, wie z. B. Tumorzellen, besser erhalten ist und die Zusammensetzung auf molekularer Ebene bestimmt werden kann.

Ziel ist es, auf eine Zelle genau zu schneiden und den Laser so zu programmieren, dass er kritisches Gewebe wie Nervenzellen oder Blutgefäße umgeht bzw. seine Arbeit bei zu großer Nähe selbstständig unterbricht.

Das UKE hat im Campus Klinische Forschung ein Labor eingerichtet, in dem der Prototyp des PIRL aufgebaut wurde. Hier werden die biomedizinischen Untersuchungen beginnen, zur Vorbereitung des klinischen Laser-Einsatzes. Eingebunden in das Projekt sind neben der HNO-Klinik mehr als zehn weitere Institute und Kliniken aus dem UKE.

Der Titel des ERC-Projekts lautet „Picosecond Infrared Laser for Scar Free Surgery with Preservation of Tissue Structure and Recognition of Tissue Type and Boundaries" und wird mit SUREPIRL abgekürzt.

Prof. Dr. R. J. Dwayne Miller ist Direktor an der Max-Planck-Forschungsgruppe für Strukturelle Dynamik an der Universität Hamburg und arbeitet am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), einer Kooperation des Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und der Universität Hamburg.

Dr. Wolfgang Wöllmer ist Medizin-Physiker der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Er hat über 30-jährige Erfahrung mit dem medizinischen Lasereinsatz; ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Lasersicherheit.

Der 2007 eingerichtete Europäische Forschungsrat setzt sich für eine Förderung der grundlagenorientierten Forschung ein, um visionäre Projekte voranzutreiben und neue interdisziplinäre Wissensgebiete zu erschließen. Zu den Förderlinien gehört der ERC Advanced Grant, der sich an herausragende, bereits etablierte Forscher wendet und ihre bisherige wissenschaftliche Leistung ehrt.

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