Magnetismus entsteht aus vibrierenden nicht-magnetischen Lagen

Zirkular polarisierte Phononen beeinflussen die Elektronenspins in einer Lage eines transitional metal dichalcogenides (TMDC) wie ein Magnetfeld.

12. Februar 2018

Wissenschaftler der Theorie-Abteilung des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) am Center for Free-Electron Laser Science in Hamburg und dem Ulsan National Institute of Science and Technology in Korea haben mit modernen Computersimulationen gezeigt, dass es möglich ist, ein nicht-magnetisches Material durch bestimmte Vibrationen in einen Magneten zu verwandeln.

Die Autoren zeigen, das zirkular polarisierte Phononen durch eine starke spin-phonon Wechselwirkung einen dynamischen Zustand erzeugen, in dem sich die Elektronenspins von Elektronen mit gegensätzlichem Impuls zu einem makroskopischen Magnetfeld verbinden. Die Studie, Phonon-driven spin-Floquet magneto-valleytronics in MoS2, wird in Nature Communications veröffentlicht.

Alltäglich nutzen wir Materialien mit den vielfältigsten Eigenschaften: von Strom- und Wärmeleitern bis hin zu Computern, Sensoren, Energiespeichern, Telekommunikationsbauteilen und der Nano- und Mikroelektronik. Sie alle besitzen spezifische mechanische, optische und magnetische Eigenschaften. Diese Materialien bestehen aus Elektronen und Kernen, aber ihre makroskopischen Eigenschaften werden vorwiegend von der quantenmechanischen Anordnung und Wechselwirkung der Elektronen bestimmt. Der innere Aufbau der einzelnen Atomkerne, die aus Protonen und Neutronen bestehen, spielt dabei zwar keine Rolle, aber die Vibration aller Atomkerne in einem Material ist oft entscheidend für dessen Eigenschaften. Die Richtung und Stärke dieser Vibration, die man auch Phonon nennt, sind neben der Ladung und dem Spin der Elektronen die wichtigsten Faktoren, die die Eigenschaften eines Materials beeinflussen.

Heutzutage konzentrieren sich Wissenschaftler vor allem auf die elementaren Strukturen von Materialien, um immer kleinere magnetische oder elektrische Einheiten zu entwickeln. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist Graphen, das aus einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen besteht, sowie seine nahen Verwandten, die sogenannten transitional metal dichalcogenides (TMDC), die einzelne Lagen aus einem Übergangsmetallatom und zwei speziellen Atomen aus der Chalkogengruppe des Periodensystems bilden.

Ob sich der Elektronenspin in diesen wirklich zweidimensionalen Materialien so ausrichten lässt, dass ein Magnetfeld entsteht oder wie stark der Einfluss der Phononen auf den Elektronenspin ist, sind seit langem offene Fragen. In dieser Forschungsarbeit haben die Wissenschaftler daher das TMDC Material MoS2 (Molybdenumdisulfit) untersucht. Mit Hilfe von Supercomputern berechneten sie quantenmechanische Gleichungen. Dadurch zeigten sie, dass, bei einem Material mit einer starken Kopplung zwischen Phononen und den Orbitalzuständen der Elektronen, ein besonderes Phonon die Dynamik der Elektronenspins genauso beeinflussen kann wie es ein Magnetfeld tun würde.

Dieser Effekt beruht auf einem fundamentalen Konzept, das in der theoretischen Physik Symmetriebrechung genannt wird. Besonders in Kristallen, also den meisten Festkörpermaterialien, hat die Symmetrie, mit der die Atome angeordnet sind, einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften des Materials. Die Brechung oder Aufhebung einer solchen Symmetrie kann deshalb die Eigenschaft eines Materials grundlegend verändern. Für theoretische Physiker betrifft das Konzept der Symmetrie aber nicht nur die räumliche Anordnung, sondern auch die Zeitdimension.

Die sogenannte Zeitumkehrsymmetrie beschreibt eine Situation, in der es für einen beobachteten physikalischen Vorgang keine Rolle spielt, ob er vorwärts oder rückwärts in der Zeit abläuft. In einem Film vom Zusammenstoß zweier Billardkugeln ist es zum Beispiel nicht klar, ob er vorwärts oder rückwärts abgespielt wird, weil die Physik des inelastischen Stoßes Zeitumkehrsymmetrie hat.

Wenn man jedoch die Bewegung von Elektronen in einem Magnetfeld betrachtet, ist die Richtung ausschlaggebend, weil Elektronen eine Spiralbewegung ausführen, die vorwärts einen anderen Drehsinn hat als rückwärts. Die Zeitumkehrsymmetrie ist dadurch aufgehoben.

Seit einiger Zeit heben Wissenschaftler nun die Zeitumkehrsymmetrie nicht nur durch Magnetfelder auf, sondern auch durch die zirkulare Bewegung von Lichtteilchen in einem Laser, sogenannten zirkular polarisierten Photonen.

In dieser Arbeit wurde nun die zirkulare Vibration der Atomkerne im Inneren des Materials statt der zirkularen Bewegung der externen elementaren Lichtteilchen eines Lasers genutzt, um die Zeitumkehrsymmetrie aufzuheben. Ihre Ergebnisse zeigen, dass diese sogenannten zirkular polarisierten Phononen einen ähnlichen Effekt auf die Elektronenspins in einer Lage eines TMDC haben, wie ein Magnetfeld. Obwohl die Symmetriebrechung ohne ein Magnetfeld erreicht wird, reagiert das Material, in dem es selber ein Magnetfeld erzeugt. 

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