Quanten-Fluktuationen bieten neuen Ansatz für ein altes Problem

24. Juli 2019

Für die Konstruktion neuer elektronischer Geräte ist es von wesentlicher Bedeutung, das Schwirren der Elektronen in kontrollierte Bahnen zu lenken. Dabei ist die Bewegung von Elektronen in magnetischen Feldern ein altes Problem der Quantenphysik, das selbst schon Inhalt mehrerer Nobelpreise war, aber bis heute noch nicht vollständig gelöst werden konnte. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg haben nun eine der seit langem ausstehenden Fragen dieses Forschungsfeldes beantworten können: wie die Symmetrie eines Kristalls im Magnetfeld wiederhergestellt werden kann. Ihre Erkenntnisse wurden gerade in den Physical Review Letters publiziert.

Elektronen in einem starken Magnetfeld beschreiben aufgrund der auf sie wirkenden Lorentz-Kraft eine kreisförmige Bahn, ein Phänomen auf dem sowohl die elektromagnetische Induktion als auch der Elektro-Motor basieren. Im zweidimensionalen „Quanten-Flachland“ einer dünnen Materialschicht von gerade mal atomarer Ausdehnung führt dies zu seltsamen Quanten-Phänomenen wie dem Quanten-Hall-Effekt, der beschreibt, wie die Anzahl der abgelenkten Ladungen nicht beliebig, sondern in diskreten (quantisierten) Schritten ansteigt.

Trotz großer Fortschritte in diesem Gebiet, verblieb die vollständige Beschreibung des Verhaltens von Elektronen in magnetischen Feldern noch unvollständig. „Es liegt hier ein tiefgreifendes Problem vor. Sagen wir, wir haben eine riesige magnetische Spule und erzeugen damit ein Feld, das überall im Raum den gleichen Wert hat, dann sollten die Elektronen auch überall dieselbe Kraft verspüren,“ erklärt Vasil Rokaj, PhD Student in der MPSD Theorie-Abteilung und leitender Autor der vorliegenden Arbeit. „Aber die meisten Lehrbücher behandeln dieses Feld klassisch und können diese physikalische Bedingung nicht erklären,“ fügt er an.

Unter der Leitung von Angel Rubio, Direktor der MPSD Theorie-Abteilung, und den Gruppenleitern Michael Ruggenthaler und Michael Sentef, begannen Rokaj und sein Mitautor Markus Penz damit, neue mathematische Gleichungen aufzustellen, welche diese Einschränkung überwinden können. „Wir wussten anfangs nicht, was wir erwarten sollen,“ meint Ruggenthaler. „Tatsächlich waren wir an einem ganz anderen Problem interessiert, nämlich wie in einer sogenannten Cavity ein quantisiertes Feld die Bewegung der Elektronen im Gegensatz zu einem klassischen Feld beeinflusst.“

Um das zu erreichen griff Rokaj auf den Formalismus der Quantenelektrodynamik zurück, der schon in den 1930ern und 1940ern entwickelt wurde, um die Wechselwirkung von Elektronen und Photonen zu beschreiben. Als Rokaj diese Gleichungen für Elektronen in einem Festkörper (Kristall) aufstellte bemerkte das Team, dass etwas Bemerkenswertes geschehen war. „Das magnetische Feld einer Spule besteht aus Photonen, also sollten wir eigentlich auch das alte Problem mit unserem Ansatz beschreiben können,“ sagt Ruggenthaler. „Überraschenderweise sorgen die Quanten-Fluktuationen des Feldes, die sonst oft nicht beachtet werden, dafür, dass die grundlegende Symmetrie – dass alles gleich aussieht, egal wo wir uns befinden – wiederhergestellt wird.“

Angel Rubio fügt hinzu: „Diese Bemühungen beweisen, dass wir uns auf der richtigen Fährte befinden, wenn wir das Problem auf eine vollständig quantisierte Weise angehen.“ In seiner Theorie-Abteilung arbeiten zahlreiche WissenschaftlerInnen an dem umfassenden Problembereich der Veränderung von Materialeigenschaften durch den Einfluss von Photonen – wie neue chemische Reaktionen, welche beim Bau von zukünftigen Quanten-Computern helfen könnten. „Diese Arbeit zeigt, dass es sich stets lohnt, einen erneuten Blick auf alte Probleme zu werfen und von den grundlegenden Prinzipien der Physik auszugehen,“ sagt Rubio. „Ich bin mir sicher, dass viele weitere Überraschungen nur darauf warten, von uns entdeckt zu werden.“

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