Durchbruch beim Verständnis des quantenmechanischen Schmelzens kristalliner Elektronen in verdrehten Schichten

Ein internationales Forschungsteam entschlüsseln, wie sich Elektronen in kristalline Muster selbst organisieren – und anschließend wieder „aufschmelzen“ – innerhalb atomar verdrehter 2D-Materialien.

Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD), der Nanjing University, des Songshan Lake Materials Laboratory sowie der RWTH Aachen University haben einen neuartigen Zugang zur Untersuchung sogenannter „Elektronenkristalle“ in verdrehten Doppellagen von Molybdändiselenid (MoSe₂) entdeckt. Die Studie zeigt, wie sich Elektronen spontan in kristallähnliche Muster anordnen können, die an sogenannte Moiré-Übergitter gebunden sind – und erweitert damit das stetig wachsende Spektrum einstellbarer Phänomene in Moiré-Materialien (siehe auch hier).

Durch das gezielte Verdrehen zweier atomar dünner MoSe₂-Schichten um einen kleinen Winkel beobachteten die Forschenden die Ausbildung von verallgemeinerten Wigner-Kristallen bei unterschiedlichen fraktionalen Füllungen. In diesen Zuständen organisieren sich stark korrelierte Elektronen in periodisch wiederkehrenden gitterartigen Strukturen. Besonders bemerkenswert ist, dass diese elektroneninduzierten Kristalle einem quantenmechanischen Schmelzprozess unterliegen: Bei Variation zentraler Parameter – wie Elektronendichte, Magnetfeld oder der relativen Ausrichtung der Schichten – lösen sich die Kristallstrukturen sukzessive auf und gehen in flüssigkeitsähnliche Zustände über.

„Es ist faszinierend zu beobachten, wie Elektronen ein exakt definiertes Muster bilden und sich dabei fast wie ein Kristall im Festkörper verhalten“, beschreibt Ángel Rubio, Direktor der Theorie-Abteilung am MPSD, diesen Durchbruch. Lei Wang, Professor für Physik an der Nanjing University und leitender experimenteller Autor der Studie, ergänzt: „Indem wir Parameter wie Magnetfelder und Verschiebungsfelder variierten, konnten wir verfolgen, wie die Elektronenkristalle kontinuierlich aufschmolzen – ein Beleg für die dynamische Natur quantenmechanischer Phasenübergänge.“ Auch Dante Kennes, Professor an der RWTH Aachen University, betont die übergreifende Bedeutung: „Unsere Ergebnisse mit verdrehten MoSe₂-Schichten eröffnen neue Perspektiven für das Verständnis und die Kontrolle stark korrelierter elektronischer Systeme.“

Neben dem grundlegenden Erkenntnisgewinn zur Organisation von Elektronen und zu Phasenübergängen könnten diese Resultate auch Impulse für zukünftige Quantentechnologien liefern. Die präzise Bestimmung der Bedingungen, unter denen verallgemeinerte Wigner-Kristalle entstehen und wieder verschwinden, ermöglicht es, die ungewöhnlichen Eigenschaften von Elektronen in zweidimensionalen Materialien gezielter zu nutzen und zu steuern.

Die Studie markiert einen weiteren Meilenstein in der rasanten Entwicklung verdrehter Van-der-Waals-Materialien und unterstreicht deren Potenzial für revolutionäre Quantentechnologien.

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