Lichtblitz bricht den elektrischen Widerstand

Infrarote Laser-Pulse verwandeln eine Kupferoxid-Keramik in einen Supraleiter - und eröffnen eine neue Weg, solche Materialien in die breite Anwendung zu bringen

13. Januar 2011

Ein Isolator lässt sich durch einen Laserblitz in einen Supraleiter verwandeln, wie Forscher der Max-Planck-Forschungsgruppe für Strukturelle Dynamik an der Universität Hamburg festgestellt haben. Die bestrahlte Keramik leitete bei dem Experiment der Physiker um Andrea Cavalleri den Strom auch noch für kurze Zeit verlustfrei, nachdem das Laserlicht abgeklungen war. Überrascht zeigen sich die Forscher um Cavalleri außerdem von der Schnelligkeit, mit der sich der supraleitende Zustand erzeugen ließ. Die Beobachtungen liefern einen Beitrag zum Verständnis von so genannten Hochtemperatur-Supraleitern, einer Klasse von Supraleitern, die eines Tages Strom bei Raumtemperatur verlustfrei leiten könnte und von der Experten daher ein großes Anwendungspotenzial erwarten.

Ein Kabelnetz, das Strom verlustfrei leitet, oder superschnelle und gleichzeitig energieeffiziente Magnetschwebebahnen diese Träume könnten mit Hilfe so genannter Hochtemperatur-Supraleiter in Zukunft Realität werden. Diese Art von Supraleitern meist handelt es sich um Kupferoxid-Keramiken leiten Strom bei vergleichsweise hohen Temperaturen verlustfrei. Während supraleitende Metalle ihren elektrischen Widerstand erst verlieren, wenn sie auf wenige Grad über den absoluten Temperaturnullpunkt bei etwa minus 273 Grad Celsius gekühlt werden, nehmen manche Hochtemperatur-Supraleiter den supraleitenden Zustand schon bei einer kritischen Temperatur von etwa minus 100 Grad Celsius an. Dieses Verhalten hängt eng mit dem schichtartigen Aufbau der Materialien zusammen, der an einen Stapel Papier erinnert.

Forscher wollen neue Keramiken entwickeln, die sogar bei Raumtemperatur supraleitende Eigenschaften annehmen und den erstaunlichen physikalischen Effekt so aus den Labors in den Alltag bringen. Doch sie verstehen noch nicht vollständig, warum Hochtemperatur-Supraleiter überhaupt supraleitend werden, was die Suche nach einem alltagstauglichen Supraleiter erschwert. Die Erkenntnisse der Hamburger Max-Planck-Forschungsgruppe um Andrea Cavalleri könnten helfen, das zu ändern.

Die Hamburger Forscher verwendeten für ihre Experimente eine Art von Kupferoxidkristall, bei der sich zwischen den Kupferoxid-Schichten Atome der Elemente Lanthan, Europium und Strontium befinden. Normalerweise hängt die kritische Temperatur dieser Keramiken vom Konzentrationsverhältnis der Elemente Lanthan und Strontium ab. Bei einem bestimmten Konzentrationsverhältnis, nämlich bei der Verbindung La1.675Eu0.2Sr0.125CuO4, kurz LESCO1/8, tritt jedoch selbst bis zu tiefsten Temperaturen keine Supraleitung auf.

Dies hängt vermutlich mit einer Besonderheit im Kristallaufbau von Lesco1/8 zusammen, welche Forscher gestreifte Ordnung nennen: Die Oktaeder, aus denen sich die Schichten von Kupferoxid-Keramiken zusammensetzen, stehen in Lesco1/8 nicht parallel nebeneinander wie in gewöhnlichen Kupferoxid-Keramiken. Vielmehr sind sie so gegeneinander verkippt, dass eine Schicht eher an Wellpappe erinnert als an Papier. Damit ist auch eine gestreifte Ordnung der elektrischen Ladung und der magnetischen Momente (Spins) verbunden. Die gestreifte Ordnung verhindert, so die Annahme von theoretischen Physikern, dass unterhalb der kritischen Temperatur Strom zwischen den einzelnen Schichten fließen kann.

Die Hamburger Forscher haben nun, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus England und Japan, einen Puls aus infrarotem Laserlicht auf einen Lesco1/8-Kristall gesendet, den sie zuvor auf minus 263 Grad Celsius abgekühlt hatten. Der Laserpuls dauerte einige Femtosekunden, eine Zeit, in der Licht weniger als einen Tausendstel Millimeter zurücklegt. Unmittelbar danach haben die Forscher einen Terahertz-Puls auf die Keramik gesendet und gemessen, wie gut dieser reflektiert wird. Anhand des Reflexionsvermögens lässt sich feststellen, ob der Punkt, an dem der Laser auftraf, supraleitend geworden ist. Tatsächlich war dies der Fall.

Supraleitung könnte schon oberhalb der kritischen Temperatur vorliegen

„Besonders überrascht waren wir davon, wie schnell sich der supraleitende Zustand einstellte“, sagt Cavalleri. Es dauerte nur etwa eine Pikosekunde (eine Billionstel Sekunde) in dieser Zeit legt Licht einen zehntel Millimeter zurück. „Die kurze Zeit deutet darauf hin, dass die gestreifte Ordnung bereits die Information über den supraleitenden Zustand in sich berge, ohne jedoch selbst supraleitend zu sein“, so Cavalleri. Der schnelle Übergang in den supraleitenden Zustand sei nicht erklärbar, wenn die Elektronen zuvor ohne jede Synchronisation seien, wie dies im normalleitenden Zustand der Fall sei. Manche theoretischen Physiker argumentieren, in der gestreiften Ordnung fließen bereits supraleitende Ströme, die sich aber gegenseitig neutralisieren.

Cavalleri und seine Kollegen nehmen an, dass der Laserpuls dort, wo er in die Keramik eindringt, die gestreifte Ordnung auslöscht, gewissermaßen also die Wellpappe in glatte Pappe umwandelt. Dies ermöglicht, dass der supraleitende Strom zwischen den Schichten fließen kann und sich somit eine nach außen hin messbare Supraleitung auftritt.

Der Hinweis, dass sich in Lesco1/8 schon oberhalb der kritischen Temperatur eine supraleitende Ordnung ausbilde, hilft auch beim Verständnis der Supraleitung in den anderen Kupferoxid-Keramiken. Wissenschaftler vermuten nämlich, dass sich innerhalb der Schichten schon oberhalb der kritischen Temperatur eine Vorstufe der Supraleitung ausbildet, die Elektronen sich also nicht mehr unabhängig voneinander bewegen. Aber erst beim Unterschreiten der kritischen Temperatur synchronisieren sich die Elektronen auch zwischen den Schichten und es tritt Supraleitung ein.

Im Wesentlichen geschieht dabei in einem Hochtemperatur-Supraleiter das Gleiche wie in einem herkömmlichen Supraleiter. Unterhalb der kritischen Temperatur verbinden sich die Elektronen im Material zu Paaren, so genannten Cooper-Paaren. Die Cooper-Paare verhalten sich wie neue Quantenteilchen, die eine Fähigkeit haben, die Elektronen fehlt: sie können alle denselben quantenmechanischen Zustand einnehmen. Anschaulich bedeutet das, dass sich alle Elektronen synchron bewegen. Weil es einem einzelnen Elektron daher nicht mehr möglich ist, gewissermaßen Extratouren zu unternehmen, kann es nicht mehr durch Unregelmäßigkeiten im Kristallgitter von seinem Weg abgelenkt werden. Dieses Ablenken führt im normalleitenden Zustand zum elektrischen Widerstand. Unverstanden ist allerdings noch, wie sich Elektronen in Hochtemperatur-Supraleitern zu Cooper-Paaren zusammenfinden, kurz: wie ihre Synchronisation vonstatten geht.

Die Ergebnisse der Hamburger Forscher liefern nun neue Erklärungsansätze für die Synchronisation, könnten sich vielleicht aber auch praktisch auswirken. „Der supraleitende Zustand bleibt erhalten, nachdem der Laserpuls erloschen ist“, betont Cavalleri. Eine Million Mal länger als der Laserpuls dauert, nämlich knapp eine Millionstel Sekunde lang, bleibt die Keramik supraleitend. Der durch das Laserlicht erzeugte supraleitende Zustand sei ein „geschützter Zustand“, erklärt Cavalleri, das System brauche daher einige Zeit, um in seinen nicht-supraleitenden Grundzustand zurückzukehren.

„Vielleicht lässt sich ein solcher Zustand stabilisieren“, sagt Cavalleri. Das müsse die Zukunft zeigen. Als nächstes Ziel seiner Forschung nennt der Physiker die Erhöhung der Sprungtemperatur. Cavalleri: „Vielleicht können wir die kritische Temperatur eines Material wie Lesco1/8 mit einem Laser von minus 273 Grad Celsius auf minus 253 Grad anheben“, erklärt Cavalleri: „Wenn das möglich ist, können wir ein Material, das normalerweise bei minus 250 Grad Celsius seinen elektrischen Widerstand verliert, mit dem Laser vielleicht sogar bei Raumtemperatur supraleitend machen.“

(CM/PH)

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