Zeitumkehr durch Kontrolle von magnetischen Wechselwirkungen

Forscher am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie legen die theoretische Grundlage für effizienteren Magnetspeicher

In vielen Materialien entstehen makroskopische magnetische Eigenschaften, wenn sich mikroskopisch kleine Magnete im gesamten Festkörper in einem festgelegten Muster ausrichten. In einer Veröffentlichung in Nature Communications haben Johan Mentink, Karsten Balzer und Martin Eckstein von der Universität Hamburg am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) und dem Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) vorhergesagt, dass die Wechselwirkungen, die diese Ausrichtung verursachen, fast augenblicklich und reversibel unter Einfluss eines Laserimpulses verändert werden können. In Zukunft könnte dieser Effekt potentiell für die Entwicklung schnellerer Magnetspeicher verwendet werden. Zudem implizieren die Ergebnisse der Studie die überraschende Folgerung, dass die magnetische Dynamik unter dem Einfluss eines ausreichend starken Laserfeldes effektiv zeitlich rückwärts ablaufen kann.

Austauschwechselwirkungen

Die stärksten Wechselwirkungen in magnetischen Materialien werden als Austauschwechselwirkungen bezeichnet, da sie durch den Austausch von Elektronen zwischen den einzelnen mikroskopischen Magneten, sogenannten Spins, verursacht werden. Ein Spin kann von seinem Nachbarn eine Kraftwirkung spüren, die bis zu hundert Mal größer ist als Magnetfelder, die im Labor erzeugt werden können. Johan Mentink und seine Koautoren haben gezeigt, dass das elektrische Feld des Lasers die Elektronen während dieses Austauschprozesses beeinflussen und somit die Wechselwirkung verändern kann. Aufgrund der Stärke der Austauschwechselwirkungen lässt sich mittels dieses Ansatzes der Magnetismus auf den schnellstmöglichen Zeitskalen steuern, mit hoher Relevanz für technologische Anwendungen wie Magnetspeicher.

 

Schnell und umkehrbar

Obwohl bereits gezeigt wurde, dass die Austauschwechselwirkungen sehr schnell verändert werden können, wäre eine ultimative Kontrolle erst erreicht, wenn man die Wechselwirkungen reversibel stärken oder schwächen könnte, d.h., wenn das System nach dem Prozess wieder in seinen Ausgangszustand zurückkehrt. Diese Möglichkeit wurde nun gezeigt, indem das magnetische Material einem zeitlich periodischen elektrischen Feld ausgesetzt wurde, das ganz bewusst so abgestimmt wurde, um eine direkte Anregung der Elektronen zu vermeiden. Bereits für das betrachtete Modellsystem zeigt diese Vorgehensweise eine reichhaltige Steuerungsmöglichkeit: die Austauschwechselwirkung kann verstärkt und geschwächt werden und sogar ihr Vorzeichen umkehren, also eine parallele Ausrichtung benachbarter Spins gegenüber einer antiparallelen Ausrichtung begünstigen.

 

Zurück in der Zeit

Eine ziemlich überraschende Beobachtung der Studie ist, dass sich bei einer Änderung des Vorzeichens der Austauschwechselwirkung durch das periodische elektrische Laserfeld die zeitliche Entwicklung für die Spin-Dynamik umkehrt. Mentink: "Intuitiv erwartet man, dass ein Vorzeichenwechsel der Wechselwirkung eine schnelle Änderung des magnetischen Zustands bewirkt. Aber wir beobachten stattdessen, dass sich die Spins zurück zu ihrer ursprünglichen Ausrichtung entwickeln, ohne jegliches Anzeichen für einen veränderten magnetischen Zustand aufzuweisen". Daher haben unsere Studien nicht nur Relevanz für technologische Anwendungen, sondern auch für grundlegende Untersuchungen der Zeit-Umkehrbarkeit von Quantensystemen.

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