Ein Tempolimit für Spins

Magnetische Isolatoren sind faszinierende Materialien, in denen der Elektronenspin Ströme bilden kann, ohne dass ein elektrischer Strom benötigt wird. Solche Spinströme können zur Übertragung von Informationen genutzt werden. Nun berichtet ein Theorie-Team des MPSD, der Tianjin University (China) und der Tohoku University (Japan) in Physical Review Letters, dass ein universeller Doppler-Effekt den maximalen Spinstrom in magnetischen Isolatoren begrenzt, wenn sie durch Magnetfelder aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Dieses Phänomen stellt eine überraschende Parallele zu ähnlichen Prozessen in Supraleitern dar, die von elektrischen Feldern angetrieben werden. Es könnte ein grundlegendes Konstruktionsprinzip für zukünftige Nanogeräte mit Anwendungen in der Computerwissenschaft und Energieversorgung liefern. 

In jedem Computer bilden Magnete die Schlüsselkomponenten zur Informationsspeicherung. Wie winzige Kompassnadeln zeigen die Spins ihrer Elektronen alle in eine Richtung und formen wellenartige Anregungen - die sogenannten Magnonen. Magnonen bewegen sich fast ohne Widerstand durch elektrische Isolatoren, ohne die bei Ladungsströmen auftretende Erwärmung. Große "Magnonenströme" sind ein hocheffizienter Weg für die Übertragung von Informationen – ein Schlüsselziel der Spintronik. Dies macht spinbasierte Technologien so vielversprechend für Informations- und Kommunikationstechnologien mit geringem Stromverbrauch. 

Wenn sich jedoch viele Magnonen in die gleiche Richtung bewegen, stören sie sich gegenseitig und ihr Strom wird zähflüssig, wie Honig. Die Viskosität wächst mit der Stärke des Spinstroms und macht es den Magnonen zunehmend schwerer, sich zu bewegen. Dies wirft die Frage auf: Kann ein großer Spinstrom in einem Magneten überhaupt existieren und reibungslos fließen, wenn die Magnonen stark miteinander wechselwirken? 

Nun hat ein Theorieteam unter Leitung des MPSD ein fundamentales Tempolimit für Spinströme in magnetischen Isolatoren aufgedeckt und eine große Ähnlichkeit mit Ladungsströmen in Supraleitern festgestellt. Der Grund für dieses Tempolimit liegt im sogenannten Doppler-Effekt. Dieser lässt den Spinstrom zusammenbrechen, sobald er zu stark wird – so wie eine Krankenwagensirene anders klingt, sobald das Fahrzeug uns passiert. Der Doppler-Effekt ist die Änderung der von einem Beobachter wahrgenommenen Wellenfrequenz, wenn sich der Wellensender relativ zum Beobachter bewegt. In Supraleitern ist dieser Effekt schon bekannt, da sie instabil werden, sobald der Elektronenstrom zu stark wird. Nun haben die Forscher den dazu analogen Effekt in magnetischen Isolatoren entdeckt, der die Rolle der Magnonenviskosität beim Spintransport verdeutlicht. 

Wenn eine dünne magnetische Schicht durch Streifenleitungsmikrowellen angeregt wird, entsteht ein Spinstrom aus Magnonen, der nur in eine Richtung fließt („chiraler Spin-Pumpen-Effekt"). Dies kann jedoch nur bis zu einem bestimmten Grad geschehen, bevor der Effekt zusammenbricht. Mit Hilfe fortschrittlicher theoretischer Konzepte und umfangreicher numerischer Simulationen zeigte das Team, dass die Magnonenfrequenz durch Spinströme moduliert wird, die die Magnonen mitreißen. Die Frequenz der Magnonen darf nicht negativ werden, was wiederum den maximalen Spinstrom begrenzt, den ein magnetisches Material aushalten kann. 

„Der vorhergesagte Doppler-Effekt in magnetischen Filmen ist eine unerwartete Konsequenz der erhöhten Viskosität des eingeschlossenen Magnonen-Gases, deren experimentelle Bestätigung noch aussteht", sagt Prof. Gerrit Bauer von der Tohoku-Universität. „Wir waren überrascht, diese Analogie zwischen magnetischen Isolatoren und Supraleitern zu entdecken", ergänzt Tao Yu, Erstautor und Postdoc am MPSD. „Trotz ihrer Ähnlichkeiten unterscheiden sich diese Systeme auf fundamentaler Ebene. Im Gegensatz zu den Ladungen im Supraleiter sind die Magnonen nicht erhalten und zeigen ein komplizierteres Verhalten. Es ist spannend, wie sich die Universalität physikalischer Gesetze in sehr unterschiedlichen Systemen zeigt!" 

Das Team ist überzeugt, dass sich seine Theorie auf andere magnetische Phänomene und Systeme übertragen lässt – etwa auf Magnetisierungsstrukturen oder Antiferromagneten, bei denen die Spin-Viskosität viel weniger erforscht ist. „Wir beginnen gerade erst, die Effekte der Spin-Viskosität zu verstehen", erklärt Michael Sentef, Gruppenleiter am MPSD. „Es gibt bereits Hinweise auf Magnon-Instabilitäten aufgrund steigender Magnonenzahlen in Magneten, aber die Instabilität durch den Spin-Widerstand ist ein neues Szenario." Chen Wang, Professor an der Universität Tianjin, erklärt: „Die Änderung der Magnon-Geschwindigkeit durch den Doppler-Effekt hängt von der Strömungsrichtung der Magnonen ab. Diese Richtungsabhängigkeit führt zu einer Art Einbahnstraßen-Effekt, funktioniert also wie eine Diode für Spins, die in Zukunft für logische Bauelemente nützlich sein könnte."

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