Erste Beobachtung von gummiartiger Elastizität in flüssigem Glycerin

Einfache molekulare Flüssigkeiten wie Wasser oder Glycerin sind für technische Anwendungen, in der Biologie oder auch für das Verständnis von Eigenschaften im flüssigen Zustand von großer Bedeutung. Forschern am MPSD ist es nun gelungen, flüssiges Glycerin in einem völlig unerwarteten gummiartigen Zustand zu beobachten. In der Zeitschrift PNAS berichten sie, wie sie mit einem gepulsten Laser schnell expandierende Blasen auf der Oberfläche der Flüssigkeit im Vakuum erzeugten. Die dünne, mikrometerdicke Flüssigkeitshülle der Blase verhielt sich jedoch nicht wie erwartet wie eine viskose Flüssigkeit, die Verformungsenergie letztlich in Wärme umwandelt, sondern wie die elastische Hülle eines Gummiluftballons, die elastische Energie speichern und abgeben kann.

Das Team vermutet, dass die hohe Dehnungsrate und die limitierte Schichtdicke die einzelnen Moleküle veranlassen, Cluster zu bilden, welche korreliert und kollektiv agieren. Diese Verhalten würde den elastischen Zustand über einen längeren Zeitraum stabilisieren, als dies im Gleichgewichtszustand von Glycerin möglich wäre, in dem die einzelnen Moleküle einer schnellen Diffusion ausgesetzt sind. „Wir wollen diesen ungewöhnlichen Zustand besser verstehen“, sagt Erstautor und Doktorand Meghanad Kayanattil, „denn er könnte uns viel über kollektive Anregungen in ungeordneten Systemen verraten.“

Die Existenz einen solchen gummiartigen Zustands in flüssigem Glycerin wirft die Frage auf: Sind ähnliche Effekte auch in anderen Flüssigkeiten möglich? Insbesondere die Erzeugung elastischer Blasen in Wasser wäre ein bedeutender Schritt, da Wasser die am umfassendsten untersuchte Flüssigkeit ist, die Auswirkungen auf zahlreiche wissenschaftliche Bereiche hat. Die Glycerinblasen bildeten sich jedoch nur in einer Vakuumumgebung, wie das MPSD-Team zeigte. Dies stellt eine gewisse Herausforderung für ähnliche Experimente mit Wasser dar, da es unterhalb des Dampfdrucks von 32 mbar zu sieden beginnt – weit oberhalb des Drucks, bei dem die Experimente stattfinden müssen.

Durchgeführt wurde die Forschung von Mitarbeitern der Zentralen Wissenschaftlichen Einheit Zeitaufgelöste Strahlungsexperimente des Instituts und dem Gastwissenschaftler Zhipeng Huang von der Universität Duisburg-Essen. Ein innovativer wissenschaftlicher Ansatz und die richtige Wahl der Parameter führten zur Entdeckung dieses neuartigen elastischen Verhaltens. „Unser Experiment lädt dazu ein, die Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Flüssigkeiten und Festkörpern neu zu überdenken“, sagt Gruppenleiter Sascha Epp. „In einem nächsten Schritt wollen wir die molekularen Wechselwirkungen und Struktur der instationären Blase untersuchen und prüfen, ob dieser Effekt auch in einer Reihe anderer Flüssigkeiten erzeugt werden kann, deren molekulare Wechselwirkungen sich von denen des Glycerins unterscheiden.“

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